igenos e.V. die Interessenvertretung der Genossenschaftsmitglieder sieht vor der laufenden Diskussion um die aktuelle Nachschärfen des Genossenschaftsgesetzes weiteren Handlungsbedarf. Es geht um die systematische missbräuchliche Nutzung der Rechtsform Genossenschaft durch Genossenschaftsbanken, die ihrem Geschäftszweck der Förderung ihrer Mitglieder nicht nachkommen und dadurch kartellrechtlich bedenkliche Wettbewerbsvorteile genießen. Nach unserer Rechtsauffassung steht die Rechtsform Genossenschaft über dem Geschäftsgegenstand.
Um kein unrealistisches Bild vom Zustand des genossenschaftlichen Bankensektors zu vermitteln sei vorab festgehalten: Hier und da gibt es noch die kleinen und dennoch erfolgreich wirtschaftenden Bankinstitute. Mit ihrer Generalversammlung weisen sie ein basisdemokratisches Organ auf. Die Mitglieder interessieren sich für das Geschehen in ihrer Genossenschaft und wirken daran mit. Der Vorstand handelt mitgliederorientiert und (§ 1 des GenG beachtend) dem Förderauftrag verpflichtet. Diesen Instituten ist zu bescheinigen, Kooperative im Sinne des Genossenschaftsgesetzes zu sein. Sorge bereiten diesbezüglich die weitaus häufiger vorkommenden relativ großen VR-Banken sowie die bereits eingetretene und weiter voreinschreitende Machtverschiebung von der Mitgliederebene über den eigenverantwortlich und teils eigenmächtig, vielfach mehr markt- statt mitgliederorientiert handelnden Vorstand von Bankgenossenschaften hin zum Bundesverband der Deutschen Volksbanken und Raiffeisenbanken e. V. (BVR).
Wer die gesamte genossenschaftliche Bankensparte im Blick hat, nimmt eine Genossenschaftssparte wahr, die sich gemessen an dem, was und wie genossenschaftliche Einrichtungen nach dem Willen des Gesetzgebers sein sollten, auf Abwegen befindet. Unausweichlich drängt sich die Frage auf, ob es sich bei den größer dimensionierten, in der Regel regional operierenden Bankgebilden noch um Genossenschaften handelt, wie es um die Machtstruktur steht welche Rolle der BVR spielt.
(1) Zur Rolle des Mitglieds und der Mitgliedergesamtheit
Der Gesetzgeber hat die Bankgenossenschaften wie alle anderen Genossenschaftsarten demokratisch verfasst. Jedes Mitglied ist Miteigentümer des Gemeinschaftsunternehmens und die Mitgliederversammlung das oberste Willensbildungs- und Kontrollorgan. Die Kontrollfunktion ist dem Aufsichtsrat übertragen, der stellvertretend für die Mitgliedergesamtheit die Vorstandstätigkeit überwacht. Die derart organisierte Genossenschaft hat dem alleinigen Zweck zu dienen, die Mitglieder gemäß ihrer Interessen- und Bedürfnislage zu fördern. Dieses urgenossenschaftlich demokratische System, in dessen Zentrum das Mitglied und die Mitgliederorientierung stehen, war während der NS-Herrschaft suspendiert. Es galten das Führerprinzip und der Grundsatz „Gemeinnutz geht vor Eigennutz“. Die Eigennützigkeit – damit war die Mitgliederförderung gemeint – war durch Nutzenstiftung für die Volksgemeinschaft ersetzt, damit de facto die Genossenschaft abgeschafft. Nach Kriegsende und Neuordnung des Genossenschaftswesens wurde die Rückkehr zur Fokussierung auf das Mitglied etabliert. Auf diese Rückblende wird an späterer Stelle noch einmal hingewiesen.
Weniger im Zuge des Größenwachstums „aus eigener Kraft“, sondern mehr durch Fusionen sind auch Bankgenossenschaften von der Generalversammlung zur Vertreterversammlung übergegangen. Stellvertretend für die Mitgliederbasis wird fortan die Funktion eines obersten Willensbildungs- und Kontrollorgans durch aus dem Mitgliederkreis gewählte Mandatsträger wahrgenommen. Zweifellos führte dieser Übergang zu einem Repräsentativorgan zu einer Schwächung der Position des einzelnen Mitgliedes durch Entfernung vom unmittelbaren Kontakt zur Leitungsebene, die nun das einzelne Mitglied samt Mitgliederorientierung weniger wahrnehmen konnte. besser musste. Bei Einführung der Vertreterversammlung bleibt unausweichlich ein wichtiges Element der Genossenschaftsdemokratie auf der Strecke. Hinzu kommt, dass die Kandidaten für das Vertreteramt immer seltener von den versammelten Mitglieder vorgeschlagen, sondern vom Vorstand vorbestimmt per Liste präsentiert werden – einer der mittlerweile vielen die Mitglieder entmündigenden und demokratiefeindlichen Tricks.
Diverse in der Praxis des genossenschaftlichen Bankensektors beobachtbare Tatbestände weisen darauf hin, dass eine Entwertung der Mitgliederposition und zugleich der Mitgliedschaft stattgefunden hat. Erstens: In Geschäftsberichten ist vielfach nur noch von Geschäftspartnern und Kunden die Rede. Die Mitglieder, die doch Kapital einbringen müssen und an der Verwaltung mitzuwirken haben, kommen kaum noch vor. Zweitens: Die Vorstandsmitglieder sprechen gern von „ihrer“ Genossenschaft und sie meinen das auch so. Tatsächlich aber sind die Mitglieder Eigentümer der Genossenschaft. Drittens: Bankgenossenschaften widmen sich zunehmend der Gemeinwohlorientierung, was an das erwähnte NS-Prinzip erinnert. Förderung der Allgemeinheit bedroht die Mitgliederorientierung und damit die bestmögliche Mitgliederförderung. Ob die Mitglieder diese Richtungsänderung akzeptieren oder nicht – danach werden sie nicht gefragt; der Vorstand verfügt im Alleingang über Zuwendungen an die Zivilgesellschaft, und dies auf Kosten der Mitgliederförderung: gemäß § 1 GenG die oberste Leitmaxime einer eingetragenen Genossenschaft (eG).
(2) Die Positionierung des Vorstandes
Mitglieder des Vorstandes werden in der Regel durch den Aufsichtsrat in ihr Leitungsamt gewählt. Da der Aufsichtsrat stellvertretend für die Mitgliedergesamtheit handelt, sind Mitglieder des Leitungsgremiums als Angestellte und Erfüllungsgehilfen des Mitgliederkreises zu verstehen. Wiederum im Verlauf des Größenwachstums eignete sich das verstärkt professionelle Genossenschaftsmanagement mehr und mehr autonomes Entscheidungsverhalten an. Es kam zur Verlagerung im innergenossenschaftlichen Machtgefüge zugunsten der Führungskräfte mit der Folge eines weiteren Bedeutungsverlustes der Mitgliederseite.
Der Machtzuwachs des genossenschaftlichen Managements wurde durch den von genossenschaftlichen Vorständen § 27 Abs. 1 GenG gerechtfertigt eingestuft. Im Wortlaut: „Der Vorstand hat die Genossenschaft unter eigener Verantwortung zu leiten.“ Es scheint, als hätten die Führungskräfte nur diesen ersten Satz zur Kenntnis genommen und verinnerlicht, nicht aber den darauf folgenden, der eine Restriktion beinhaltet: „Er (der Vorstand – Einfügung) hat dabei die Beschränkungen zu beachten, die durch die Satzung festgesetzt worden sind.“ Deren Bremswirkung lässt sich freilich durch weitgehende Übernahme einer vom BVR erstellten und den Bankinstituten an die Hand gegebenen managementgenehmen Mustersatzung aushebeln.
Eine Machtverlagerung zugunsten des Vorstandes kann sich im Weiteren aus der Einwirkung auf die Art und Weise der Ausübung der Überwachung des Vorstands ergeben. Ein Aufsichtsorgan, das zum Teil oder ganz aus vom Vorstand vorgeschlagenen Kandidaten besteht, an dessen Sitzungen Vertreter des Vorstandes teilnehmen oder gar gemeinsame Sitzungen von Vorstand und Aufsichtsrat stattfinden und/oder aus dem Vorstand ausscheidende Personen in den Aufsichtsrat wechseln, dürfte es nicht allzu schwer haben, den Einfluss des Kontrollorgans auf den Vorstand zu schwächen. Nämlich weg von der Beaufsichtigung der Vorstandsarbeit, hin zu einem machtarmen Gremium, das durch den Vorstand über dessen Vorstellungen und Entscheidungen informiert wird.
(3) Machtstellung des BVR
In der bisher beschriebenen Kette der Machtverschiebung fehlt der für den Bankenbereich zuständige Verband als Machtzentrum. Im Wesentlichen sind einem Genossenschaftsverband zwei Funktionen zugedacht: Dienstleister als Berater und als Pflichtprüfer der wirtschaftlichen Verhältnisse sowie der Ordnungsmäßigkeit der Geschäftsführung in Zusammenarbeit mit dem Aufsichtsrat der Bankinstitute zu sein. In Wirklichkeit besitzt er wesentlich mehr Kompetenz: Er ist insbesondere auch Dirigent eines Orchesters, in dem sämtliche Bankgenossenschaften mitwirken.
Zur Ausübung dieser Sonderaufgabe hat die Pflichtmitgliedschaft im Verband viel beigetragen. „Die Genossenschaft muss einem Verband angehören …“ (§ 54 GenG). Ausgehend von dieser Zwangsbeziehung sich ein Abhängigkeitsverhältnis „Bank – Verband“ ergeben. Der BVR lenkt im Wesentlichen, wer mit wem fusioniert und schwört die Mitgliederversammlungen, die darüber abzustimmen haben, auf die schier unabwendbare Notwendigkeit des Zusammenschlusses ein. Widerständler werden gemaßregelt, muss doch der Verband am besten wissen, was für eine Genossenschaft nützlich ist. Letztlich setzt sich der Wille des Verbandes durch. Das gilt auch für Anwesenheit von Verbandsvertretern in sonstigen Mitgliederversammlungen zu dem Zweck, Beschlüsse der Mitglieder im Sinne des Verbandes und der Genossenschaftsvorstände zu steuern. Um es beim richtigen Namen zu nennen: Der BVR greift ungehindert in die inneren Angelegenheiten der ihnen angeschlossenen Genossenschaften ein.
Fazit
Das alles hat mit dem Leitbild einer demokratisch geführten Genossenschaft wenig bis nichts zu tun und ist dazu angetan, die Genossenschaftsbanken als schleichend entdemokratisierte Gebilde einzustufen. Man darf erhebliche Zweifel daran haben, ob für diese Unternehmen weiterhin die Bezeichnung „Genossenschaft“ opportun und legitimiert ist. Denn als Banken wie alle anderen haben sie sich von den genossenschaftlichen Grundlagen entfernt. Im Zusammenhang damit steht schließlich der nicht zu unterschätzende Umstand, dass die außerhalb des Genossenschaftssektors rekrutierten Bankmanager aus individuellem Prestigeverlangen lieber einer Großbank in anderer Rechtsform vorstehen möchten. Sie haben nicht die Absicht, die genossenschaftliche Idee zu verstehen und zu verinnerlichen. Das zeigt sich bei dem gelegentlich aufflammenden Ansinnen, Bankgenossenschaften (eG) in Aktiengesellschaften (AG) umzuwandeln.
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